Gut vernetzt für den Wandel
Ines Omann im nachgefragt-Interview zum Thema Vernetzung.
Große EntscheidungsträgerInnen haben mit Klimaschutz nicht viel am Hut. Was bleibt, ist offenbar weiterhin die Bewegung „von unten“?
Ines Omann: Die Bewegung von unten ist nach wie vor wichtig, stößt aber irgendwann an Grenzen. Die vielen Schritte engagierter Menschen, die Netzwerke, die auf diesem Weg entstanden, sind aber auch auf Unterstützung von oben angewiesen. Wenn politische Rahmenbedingungen sowie Institutionen Bottom-up-Bewegungen unterstützen, können sie zum Mainstream werden, wie das bei der ökologischen Landwirtschaft in Österreich passiert ist.
Wissen über den Klimawandel gibt es, Vorzeigeprojekte auch – auf der Seite des Handelns steht der breite Durchbruch aber noch aus, warum?
Die Kluft zwischen Wissen und Handeln ist ein blinder Fleck in der Forschung, findet aber zunehmend mehr Beachtung. Erklärbar ist vieles mit der Angst vor Veränderung und auch dem Aufwand, der mit neuen Überlegungen, Plänen, Wegen, Investitionen verbunden ist – ob das die Mobilität, Wohnen, Konsum oder anderes betrifft, Entscheidungen, die langfristig und nicht einfach zurückzunehmen sind, trifft man nicht so leicht.
Der Zeigefinger hilft bei Änderungen des Lebensstils wenig. Es braucht Vorbilder, keine Stars, sondern normale, nahestehende Personen, Freunde, die etwas mit Erfolg umgesetzt haben. Und die Politik muss entsprechende Rahmenbedingungen vorgeben: Ein Reallabor, ein Experimentierfeld, in denen Dinge, wie etwa der Verzicht aufs Auto oder andere Lebensstile im Bereich Ernährung, Teilen von Gütern, in Gemeinschaft leben etc., ausprobiert werden können, könnten den Menschen zeigen und sie spüren lassen, wie sich Veränderung anfühlt und ihnen damit die Angst vor dieser nehmen. Was man dann als positive Veränderung erlebt und spürt, behält man sicher leichter langfristig bei.
Es braucht aber auch entsprechende politische Rahmenbedingungen, Institutionen, Steuern, Information sowie Ge- und Verbote: von Verpackungsmaterialien wie Getränkedosen zum Beispiel oder von Werbung für Unnachhaltiges. Und günstigere Bedingungen, Förderungen für neue, innovative, nachhaltigere Produkte.
Vieles davon wurde schon lange angedacht – auf entsprechende Maßnahmen oder Entscheidungen warten wir immer noch. Wird da die Zeit nicht langsam knapp?
Allerdings. Offenbar ist es so, dass es erst zu einem Umdenken kommt, wenn’s weh tut. Angesichts schlechterer Werte bei Blutbildern, stellen wahrscheinlich wenige ihre Ernährungsweise um. Bei spürbaren physischen Beschwerden muss dann sehr wohl auf das eine oder andere verzichtet werden, manchmal sogar gänzlich und langfristig auf eine einschneidende Diät, inklusive Einnahme von Medikamenten, umgestellt werden oder schlimmerenfalls ein medizinischer Eingriff erfolgen. Auf der Ebene des Klimawandels können wir davon ausgehen, dass ein weiteres Aufschieben der Kurskorrektur nicht nur zunehmend teurer kommt, sondern für viele schwerwiegende Folgen hat. Und viele sind bereits ganz unmittelbar betroffen.
Ich sehe es als absolut essentiell an, das 2 Grad-Ziel zu erreichen. Wenn wir das nicht schaffen, werden sich Ökosysteme irreversibel ändern und können nur mehr bedingt Basis für das Leben von 7 und mehr Mrd. Menschen auf dieser Welt sein. Ich glaube nicht, dass wir das 1,5 Grad-Ziel erreichen, möchte mich aber stark dafür einsetzen, weiterhin Klimaschutz zu betreiben, um die Folgen in 30 und mehr Jahren zu reduzieren. Daneben wird es sehr wichtig sein, die Anpassung voranzutreiben und sich auf verschiedene Szenarien vorzubereiten und diejenigen zu unterstützen, die zu den VerliererInnen gehören werden, obwohl sie zum Klimawandel vermutlich nur einen Bruchteil beigetragen haben.
Sind nicht auch von der Wirtschaft – im eigenen Interesse - entscheidende Impulse für einen Wandel zu erwarten?
Ja, aber der Trend ist noch nicht so stark und bei den großen „multinational cooperations“ geht es trotz aller Bekenntnisse manchmal nur um „greenwashing“. Viele heimische Klein- und Familienbetriebe haben hohes Verantwortungsbewusstsein und ihr Unternehmenszweck ist nicht nur die Gewinnmaximierung. Manche praktizieren neue sinnstiftende, ganzheitlich orientierte Formen der Zusammenarbeit, die MitarbeiterInnen eine andere, motivierende Rolle einräumt und Mitgestaltung zulässt. Dieses Modell nennt sich „holacray“. Führend dabei ist man da zum Beispiel in Holland im Gesundheitswesen, im Bereich der Krankenpflege, wo Qualität vor straffen und rigiden Plänen kommt. Über die soziale Schiene sind Wege zu mehr Nachhaltigkeit offenbar leichter einzuschlagen.
„Die Wirtschaft“ gibt es nicht – es ist wichtig zu differenzieren: Man kann weder die internationalen Konzerne noch heimische KMUs über einen Kamm scheren. Will man wirklich wissen, ob ein Unternehmen zu den „guten“ gehört, ist es notwendig, dies zu evaluieren, sich bei unabhängigen NGOs oder Vereinen zu informieren oder selbst nachzufragen. Das ist natürlich aufwändig. Allerdings gibt es über Blogs, Facebook und andere soziale Medien die Möglichkeit, Informationen zu verbreiten bzw. an diese zu kommen. Zudem glaube ich an den gesunden Menschenverstand, den wir alle haben und auf den wir vertrauen sollen, wenn Information und Fakten gerade nicht zur Verfügung stehen.
Positiv zu sehen ist, dass die Wirtschaft – z. B. im Bereich der erneuerbaren Energieträger – bereits einen Pfad eingeschlagen hat, den sie trotz Trump’scher Klimawandelleugnung und dementsprechender Gesetzgebung, nicht mehr verlassen wird. Die Wirtschaft kann also ein starker Bündnispartner der Zivilgesellschaft werden, auch wenn die Politik nicht nachhaltig agiert.
Was ist für ein gutes Netzwerk wichtig?
Das Klimabündnis ist hier als Netzwerk von Kommunen, Bildungseinrichtungen, Betrieben und anderen gut aufgestellt. Auf den kleineren, kommunalen und regionalen Ebenen passiert viel. Es lohnt sich, das zeigt die Erfahrung, ModeratorInnen bzw. ProzessbegleiterInnen einzuladen, die mithelfen Teams aufzubauen und zu entwickeln. In gemischten Teams gibt es meist eine gute Balance zwischen Herz, Hand und Kopf. Die Rolle von Frauen ist dabei wesentlich, weil sie eher ganzheitlich und in vielen Bereichen nachhaltiger denken. Funktionierende Netzwerke leben auch davon, dass sie generationenübergreifend sind: Die Erfahrung der Älteren ist genauso zu Nutzen wie die etwas größere Beweglichkeit der Jüngeren und Jüngsten. Und ganz wichtig für die Arbeit in Netzwerken ist die Wertschätzung im Umgang miteinander.
Wie sieht ihr eigener Beitrag zum Klimaschutz, zu mehr Nachhaltigkeit aus?
Da ich mit meiner Forschung transformativ wirken möchte, ist es wichtig, dass ich versuche authentisch zu sein und „to walk the talk“. Wenn man die drei großen Bereiche des Energie- und Ressourcenverbrauchs auf der privaten Ebene ansieht, also Ernährung, Mobilität und Wohnen, dann mache ich unter anderem Folgendes: ich ernähre mich vegetarisch, großteils bio, saisonal und regional, koche viel selbst. Ich wohne in einer Wohngemeinschaft in einem Wiener Altbauhaus, lebe also nicht auf großem Raum, versuche Energie weitestgehend einzusparen. Ich habe kein Auto, bin mit Rad und ÖV unterwegs. Allerdings sind Flugreisen zumeist beruflich, manchmal privat, noch Teil meines Lebens. Ich versuche diese zu verringern, und wenn möglich, innerhalb Europas mit Nachtzügen zu fahren. Leider werden diese zunehmend abgeschafft und Flugreisen sind viel zu billig. Subventionen von Nachtzugtickets und Einführung einer Kerosinsteuer könnten hier viel ändern.
Zudem unterstützte ich NGOs im Nachhaltigkeitsbereich durch Beratung und Vernetzung. Ein großes Anliegen ist mir die Unterstützung von jungen Menschen auf ihrem Weg. Ich bin gerne Mentorin, gebe meine Erfahrungen und mein Wissen weiter und freue mich sehr über das Potential und die Motivation von Studierenden und jungen engagierten Menschen.
Herzlichen Dank für das Interview.
Das Interview führte Andreas Strasser.
Weiterführende Informationen:
zur Person
Ines Omann, Volkswirtin und Umweltsystemwissenschafterin, arbeitete an verschiedenen Forschungsinstituten, derzeit am Institut für ökologische Ökonomie der WU Wien sowie selbständig als Moderatorin und Prozessbegleiterin. Aktueller Arbeitsschwerpunkt ist die Entwicklung und Unterstützung sozial-ökologischer Transformationsprozesse. Sie war 2017 FEMtech Expertin des Monats April.
Im EU-Projekt GLAMURS (2013-2016) untersuchte Frau Omann gemeinsam mit anderen ForscherInnen, wie ein Wandel zu nachhaltigen Lebensstilen unterstützt werden kann. Dabei haben sie von 7 europäischen Regionen, die sich schon auf einen nachhaltigen Weg gemacht haben, gelernt und Empfehlungen für die Politik entwickelt. Informationen dazu finden sie auf www.glamurs.eu.
Die österreichische Fallstudie in Donau Böhmerwald ist näher auf www.lebensklima.at beschrieben und darauf aufbauend gibt es ein Folgeprojekt: www.donau-boehmerwald.info/voi-lebm/die-vision.html